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Km 4233 – Km 4546_Alexandropoli - Istanbul


Den freien Tag verbringen wir mit süssem nichtstun. Es steht ein besonderer Tag an. Ein weiterer Grenzübertritt kommt auf uns zu. Wir freuen uns. In Griechenland hat es uns vorallem im Westen und im Mittelland sehr gut gefallen. Gestern noch haben wir für die Zeit in Istanbul ein Hotel gebucht. Wir wollen die knapp dreihundert Kilometer in drei Tagen schaffen. Grosse Pläne, wie wir dann noch merken werden. So starten wir am ersten Tag früh und fahren auf unserer altbekannten E90, die jetzt wohl die E85 ist, in Richtung Türkei. Der Gegenwind bläst uns stark ins Gesicht und wir haben mit jeder Erhöhung stark zu kämpfen. Kurz nach Feres wird aus der Autostrasse eine Autobahn und wir biegen so rechts ab und folgen den Feldwegen entlang derselben. Die Strecke ist gut befahrbar aber der Wind macht uns wirklich schwer zu schaffen und so kommen wir nur langsam voran. Gegen Mittag haben wir die ersten fünfzig Kilometer geschafft und stehen vor der türkischen Grenze. Unsere Schweizer Pässe öffnen uns Tür und Tor. Da wo alle anstehen, warten und geduldig sein müssen, werden wir herausgepflückt und durchgewunken. Die Grenze passieren wir auf der Brücke, welche zuerst Blau-Weiss und anschliessend Rot-Weiss gestrichen ist. Gesäumt ist die Brücke von einigen Soldaten, welche uns höflich zulächeln und uns in der Türkei herzlich willkommen heissen. An der ersten Passkontrolle haben wir einen kurzen Schwatz mit dem Grenzwächter, welcher ungläubig unsere Räder bewundert und anschliessend geht alles ganz fix. Zweimal den roten Pass in die Luft gehalten und die Bahn ist frei. Welcome to Turkey. Wir sind da. Neues Land, neue Herausforderung. Einige Wochen werden wir hier verbringen. Was uns wohl alles erwartet? Gleich nach dem Grenzübertritt erkundigen wir uns an einer Tankstelle nach einer Strassenkarte. Die Schellkarte, die wir kostenlos bekommen, hilft uns für die nächsten Kilometer. Ist aber mit ihrer Grösse von einem A5 Blatt für die ganze Türkei doch etwas zu ungenau. In Ipsala beziehen wir die ersten Türkischen Lira und gönnen uns einen Zmittag. Unsere Gaumen sind begeistert. Endlich etwas anderes als die drei sich abwechselnden Gerichte, die uns in Griechenland angeboten wurden. Wir verschlingen das Essen und geniessen die lang vermissten Geschmäcker. Das Strassenschild nach Istanbul gibt an, dass wir in 230 Kilometer die nächste Etappe geschafft haben. Einfach nur der D110 folgen und schon sind wir da. Die Türkei heisst uns mit viel Gehupe, Gewinke und Gerufe wilkommen. Alle paar Sekunden heben wir die Hand, um einen Vorbeifahrenden zu grüssen. Also eigendlich fahren wir einhändig nach Istanbul. Auf der Autostrasse hat es einen sehr breiten Pannenstreifen, welchen wir uns zu Nutze machen. Den ganzen Tag fahren wir hinter- oder nebeneinander gegen den immer stärker werdenden Wind an. Nach einigen Kilometern erreichen wir die berühmte türkische Migros von der wir schon viel in zahlreichen schweizer Blogs gelesen haben. Gleiches Zeichen, Gleicher Schriftzug. Unsere Migros. Welcome Home. Natürlich wollen wir gleich wissen, ob denn die türkische Mirgos auch Bärliglace hat. Leider nein. Vor der Migros quatschen uns zwei Jungs an. Sie wollen mit Mikes Fahrrad fahren. Kein Problem denken wir. Die hauts ja sowieso nach wenigen Metern um. Oh weh - der Junge fährt ohne ein Schlingern davon. Da behalten wir kurzerhand den anderen Jungen als Debot bei uns. Von jetzt an werden wir unsere Räder abschliessen. Wir wissen schon von Mikes Erfahrung, dass es wohl nicht ganz so einfach wird, ein Plätzchen zum Schlafen zu finden. Aber dass wir es dann so schwer haben werden, das hätten wir dann doch nicht gedacht. Langsam rückt der Sonnenuntergang näher und wir haben unsere einhundert Kilometer bereits geschafft. Wir sind müde, der Kampf gegen den Wind geht unentschieden aus. Immer wieder schauen wir von der Strasse herunter auf der Suche nach einem schönen Schlafplatz. Ok, schön muss er nicht sein. Aber wenn da wenigstens keine Hunde wären, dann wäre das schon toll. Die ersten Hunde greifen uns in der Türkei neben einem Fabrikgebäude an. Die Zähne fletschend verfolgen sie uns eine ziemlich lange Strecke. Unsere Peitschen und Rufe schüchtern sie nur bedingt ein. Aber eben, der Gegenwind. Mal Freund, mal Feind. Wir lassen die Hunde hinter uns und eilen schleunigst weiter auf der Suche nach unserem Nachtplatz. Wenige Minuten vor Sonnenuntergang fragen wir einen Melonenverkäufer, ob wir auf seinem Land übernachten können. Wir waren in der Annahme, dass er einen Hof hat. Dass er selber auf den Melonen schläft und uns dazu einlädt mit ihm das Bett zu teilen, damit haben wir nicht gerechnet. Nachdem wir dann eine seiner Früchte abgekauft haben, kommen wir mehr oder weniger anständig aus der Situation heraus. Einige Hundert Meter später - die Sonne ist bereits hinter dem Horizont verschwunden - entdecken wir einen Feldweg, auf den wir dann auch einbiegen. Am Ende des Weges, am Rande eines Sonnenblumenfeldes, schlagen wir erschöpft das Zelt auf, waschen uns und schlafen nach den geschafften 122 Kilometern schnell ein. Der Aufbruch geht wie immer beim Wild Campen schnell von statten. So peilen wir in aller Früh die nächste Tankstelle an. Das Neonschild haben wir schon vom Schlafplatz aus gesehen. Cynthia freut sich schon auf den Kaffee nach der kurzen Nacht. Wir riechen schon fast den Duft von frisch gebrühtem Wachmacher, als wir etwas realer das Gebell des Hundes wahrnehmen. Der blöde Hund greift uns direkt bei der Einfahrt an und lässt nicht locker, bis wir an der Tankstelle vorbei gefahren sind. Oh mann. Heute demfall kein Kaffee zum Frühstück. Wenige Kilometer später setzen wir uns an den Strassenrand und frühstücken das, was wir noch so dabei haben. Es gibt Brot, Nutella, Orangensaft und Schokomilch. Auch nicht schlecht. Migros halt. Der Gegenwind erscheint uns heute noch viel stärker als gestern und wir haben einen langen Kampf vor uns. Auf der Strasse ist schon wieder richtig was los. Hupen, Winken, Winken, Hupen. Der Wind hat sogar einen schwer beladenen Laster umgeworfen. Einfach so. Auf der Kuppe eines Hügels liegt der ausgeleerte, zerschlagene LKW auf der Seite. Wir kurven daran vorbei und fahren weiter auf dem Pannenstreifen entlang der D110. Bald ist Mittag und wir erreichen die Stadt Tekirdag. Wir sind erschöpft und gönnen uns einen Burger. Anschliessend bieten ein paar Jungs Mike auf der Strasse einen Taser an. Er lehnt ab. Nach einigen Hundert Metern erreichen wir den ersten Burger King seit Wochen. Also noch ein Burger. Das muss einfach sein. Wieder gestärkt fahren wir weiter. Die Ausfahrt aus Tekirdag ist eine Herausforderung. So viele Autos, so viele Ampeln, so wenig Platz und noch viel weniger Geduld bei den Autofahrern. Unter dem vielen Gehupe kommen wir langsam aus dem Nadelöhr. Kurz vor der Autostrasseneinfahrt, welche in Grösse und Tempo einer Autobahneinfahrt gleicht, denkt sich ein Kutscher mit seinem Pferd, er könne doch mit den Pédaleurs ein Wettrennen veranstalten. Ihre Zustimmung brauchte er nicht. So bald die Pédaleurs losfuhren drosch der Kutscher so stark auf das arme Pferd ein, dass dieses völlig ausser sich den Pédaleurs hinterher trabte. Ohjeohje. Schnell das Tier. Nur mit ach und krach schaffen wir den Abstand zwischen dem wild gewordenen Pferd und uns. Unser Ziel heute ist Marmaraereglisi. Kurz vorher gönnen wir uns an einer weiteren Tankstelle eine Pause. Die beiden Slowenen, die uns ansprechen, sind mit dem Motorrad unterwegs. Nach einem kurzen Plausch über sie, uns, ihre Reisen, unsere Reisen und ihre Kinder trennen sich unsere Wege wieder. Eine schöne Begegnung war das. Nach der entspannenden Pause beschliessen wir, unser Ziel etwas weiter zu stecken. Schliesslich müssen wir alle Kilometer, die wir heute fahren, morgen nicht mehr machen. Also kämpfen wir uns noch die letzten vierzig Kilometer nach Silivri. Der Wind, die Steigung, die Müdigkeit. Heute ist nicht so unser Tag. Wir kämpfen und kämpfen. Zu allem Überfluss verlässt uns unser schöner Pannenstreifen wenige Kilometer vor Silivri. Er wird durch nichts ausser ein paar Schlaglöcher ersetzt. Wir kurven also die letzten zehn Kilometer eng an den Autos entlang. Die Busse, die immer mehr werden, rasen an uns vorbei. Die Autobahn, die gleich daneben verläuft interessiert hier kein Mensch. Alle wollen auf die Autostrasse. Alle direkt neben uns vorbei. Hupen ersetzt hier das Ausweichen oder das Bremsen. Sowie das ständig blinkende Pannenlicht auch das Parkverbot ersetzt. Aber egal. Das ist was anderes. In Silivri angekommen wollen wir uns gleich ein Zimmer nehmen. Gemäss Google soll es hier hunderte von Hotels haben. Aber wo sind die bloss? Wir finden drei. Das teure, das mit der steilen, engen Treppe und Marinas Pension. Wir entscheiden uns für die Pension. Den Weg erklärt uns ein Junge, der dafür anschliessend saftig abkassiert. Marina ist nicht hier. Aber Kenan begrüsst uns herzlich auf Schweizerdeutsch. Er kam als Kind in die Schweiz und ist dann mit dreissig wieder nach Hause in die Türkei gezogen. Schön, mal wieder einen Plausch auf Schweizerdeutsch zu haben. Kenan erzählt uns von seinem Land und wir erfahren vieles über den Islam. Toll so ein Austausch. Kenan ist selber auch ein Gast, kann uns aber unser Zimmer zeigen. Dieses ist im obersten Stockwerk. Ohne Lift. Wir könnten auch ein anderes haben, das ist jedoch nicht vorbereitet. Für uns Ok. Wir entscheiden uns für Zimmer Nummer 3. Es ist ernüchternd. Phuu. Später erscheint aber Marina und bringt uns neue Laken, Badetücher und Toilettenpapier. Schon besser. Das erste Mal werden wir richtig mit den neuen Standards konfrontiert. Spannend. Zur Zeit wird der Ramadan praktiziert und kurz nach Sonnenuntergang fängt die ganze Stadt unter Trommeln, Lachen und Feiern an zu Essen. Wir geniessen in unserm Zimmer auch noch ein feines, scharfes Essen, tauschen mit Kenan Koordinaten aus und gehen dann bald schlafen. Sind so müde. In der Nacht schauen wir einmal aus dem Fenster. Dunkel. In der ganzen Stadt brennt kein einziges Licht. Vor Sonnenaufgang wollten wir losfahren. Doch das Gebell einer ganzen Hundeschar auf unserer Strasse lässt uns doch lieber auf das Sonnenlicht warten. Let's go to Istanbul. Wow. Wir machen regelmässig alle zehn Kilometer eine Pause und erreichen so kurz vor dem Mittag die Vorbezirke von Istanbul. In einem Restaurant essen wir zu Mittag und gönnen uns im angrenzenden Park eine Pause. Istanbul ist noch einen Hügel entfernt. Seit knapp achzig Kilometer fahren wir bereits an Häusern vorbei. Es hat soo viele Menschen. Und dann. Bämm. Nach dem zweiten Hügel machen wir die Abfahrt in den noch vorderen Vorbezirk von Istanbul. Es hat tausende von Autos, Bussen, LKW. Es ist laut, unübersichtlich und rasant. Irgendwie kommen wir heil an und pedalieren gemütlich am Ufer entlang zum Hafen. Welcome to Istanbul. Es ist sooooo gross und so schön!. Wir finden unser Hotel schon bald und checken am Nachmittag für fünf Nächte ein. Hier in Istanbul wollen wir schlemmen, uns erholen, auftanken, machen Sightseeing und stocken unsere Vorräte für das Kommende auf. Wir erleben rasante Taxifahrten auf dem asiatischen Kontinent, suchen Fährtickets an Zeitungskiosken und üben Kopftücher zu binden. Ach ja. Und wer begegnet uns mitten in Istanbul und hat sein Hotel in der gleichen Strasse wie wir? Michael. Was für eine Freude, ihn wieder zu sehen.

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