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Km ۷۵۳۶ - Km ۷۸۴۵_Hashtpar - Qazvin


Wir folgen heute der Strasse Nr. 49, welche einer Art Allee gleicht und leicht hügelig ist. Den Iran, den wir hier kennenlernen, haben wir uns anders vorgestellt. Nachdem Cynthia gestern nicht so auf der Höhe war, ist heute Mike dankbar dafür, wenn wir nicht allzu weit fahren. Und so beschliessen wir, uns ein Hotel in Bandar Anzali zu nehmen. Schlussendlich legen wir übrigens dann doch über neunzig Kilometer zurück. Dies lag zum einen an der Hickhack führenden Strasse und zum anderen daran, dass wir einfach dieses Hotel nicht gefunden haben. Das heisst, wir waren schon so nah dran, als ein junger Herr uns seine Hilfe anbot. Nur noch drei Kilometer entlang der Küste. Ok. Nach über sechs Kilometern geben wir auf. Wir fahren zurück. Macht also nochmal plus sechs Kilometer. Es gibt noch ein Hotel auf der anderen Seite der Stadt. Warum nicht. Also machen wir uns auf den Weg und fahren den riesigen Bogen um den Hafen herum und finden irgendwo im Industriegebiet das Hotel Diamond. 150´000 Rial. Dass die Iraner immer ein paar Nullen beim Betrag weglassen, fangen wir nun nach langer Diskussion mit dem Hotelmanager an zu verstehen. Diesmal war es eine 0. Kostenpunkt rund 1´500´000 Rial. 50 Dollar. Wie wir später herausfinden, liegt das daran, dass niemals von Rial sondern immer nur von Toman gesprochen wird. Ein Rial entspricht zehn Toman. Ähnlich wie bei Rappen und Franken, nur dass es hier den Tomanrappen gar nicht gibt. Gspässig.

Endlich im Zimmer und endlich alleine, gestehen wir uns gegenseitig einen Tiefpunkt ein. Wir beide fühlen uns hier noch nicht wohl. Rein landschaftlich gesehen, ist der Reiseabschnitt uninteressant. Nicht das, was man sich vorstellt, wenn man an den Iran denkt. Es erinnert uns viel mehr an die Schwarzmeerküste der Türkei. Zudem irritiert uns die Rolle der Frau. Cynthia bekommt beispielsweise nie das Rückgeld. Wir müssen Vorhänge ziehen, wenn sie das Kopftuch lockert und kaum ein Mann lässt es aus, Mike danach zu fragen, ob Cynthia zu haben ist. (Offesechtlech jo wohl ned.) Wir sind uns noch nicht sicher, wie lange wir in diesem Land bleiben möchten.

Nach einem feinen selbstgekochten Znacht vereinbaren wir, noch mindestens bis Teheran zu pedalieren. Wir wollen mehr Eindrücke sammeln und in der Hauptstadt über die Weiterfahrt entscheiden.

Von Bandar Anzali aus stechen wir in den Süden. Wir passieren Rasht, essen feinen selbstgemachten Nudelsalat und kommen während dem ganzen Tag soweit gut voran. Andauernd werden wir angehalten. Selfietime. Immer wieder bekommt Cynthia eine fremde Kamera in die Hand gedrückt. Alle wollen Fotos mit Mike machen. Eine Frau auf dem Bild würde da nur stören. Cynthia nimmt’s leicht. Sie darf zwischendurch mit anderen Mädels posieren.

Das Tal wird immer enger und trockener - allmählich gleicht es dem Iran, welches man sich vorstellt. Die Strasse schlängelt sich durch ein felsig trockenes Tal. Ganz gemächlich gewinnen wir an Höhenmetern. Gegen Mittag erreichen wir Rudbar.

Auf der Suche nach einem Market oder was sonstiges zu Essen, fragt sich Mike beim neunten Olivenladen, wer wohl so clever war und sich gedacht hat: Hmm... das könnte funktionieren. Und baute neben die anderen - bereits bestehenden Olivenläden - auch noch einen zehnten hin. Auf die Frage hin, wo denn der Market sei, heisst es, dass es so was hier nicht gibt. Also Cola schon, Brot nicht. Cola ist doch schon mal gut. Dann fahren wir halt weiter. Zwei Kilometer später, stellen wir das gesamte Olivenausmass fest. Hahaha. Da reihen sich aber an die siebzig Olivenläden - wohlgemerkt alle mit dem einundselbenundnichtabweichenden Angebot von einem Einmachglas, gefüllt mit Oliven.

Dann entdecken wir den einen cleveren Mann der Region. Er hat einen sehr stark frequentierten Grillstand. That‘s the man. Be different. Wir gönnen uns ein paar feine Spiesse mit Papierbrot und schlagen uns die Bäuche voll.

Die Fahrt führt Bergwärts zum Stausee von Manjil. Fotografieren verboten. Wir entscheiden uns gegen den Tunnel und schieben die Räder die paar Serpentinen hoch. Der Wind ist so stark, dass wir die Räder kaum halten können. Wir fliegen fast weg. Der Stausee trägt wenig Wasser und über dem Dorf hat es sehr viele Windräder. Scheint wohl häufig zu chuten hier. Am anderen Ende des Sees sehen wir etwas, was wir noch nie gesehen haben. Der Wind peitscht jede Menge Sand in die Luft. Eine riesige Sandwolke türmt sich auf. Endlich liegt der Iran vor uns, den wir uns vorgestellt haben.

Wenige Kilometer weiter, beschliessen wir, unser Zelt aufzustellen. Mike findet ein lauschiges und verstecktes Plätzchen unweit der Strasse. Leider auch unweit der tschätterigen Brücke, die bei jedem Fahrzeug ächzt und poltert. Aber trotzdem bleiben wir und fühlen uns pudelwohl. Ein neues Phänomen begegnet uns heute. Bei Sonnenuntergang bleiben einem knappe fünf Minuten, anschliessend ist es finster. Die Dämmerung - so wie wir sie kennen - bleibt aus. Die Nacht ist etwas unruhig. Ein unauffindbares Käferli krabbelt unter unserem Zelt und der Fahrzeugverkehr lässt nicht nach.

Noch vor Sonnenaufgang sind die Pédaleurs startklar. Schon nach wenigen Kilometern werden wir von Hunden gejagt. Ein riesen Krach - nur wegen uns. Die Autofahrer sind jedoch klar auf unserer Seite. Sie steuern und parkieren ihre Wagen so, dass sie den Hunden jeweils den Weg abschneiden. Da die Iraner Hunde nicht so gerne mögen, werden wir von der Meute richtiggehend beschützt. Dankeschön. Pluspunkt. Beim nächstgelegenen Bäcker kaufen wir uns ein feines Brot. Da bekommen wir auch die erste Rialmünze. Die gibt es also doch. Nicht nur die verschränzten, schon total abgenutzten Papierchen. Beim Zmorgen werden wir von Ortsansässigen gewarnt. Heute geht’s bergauf. Und so kommt es dann auch. Bei grösster Hitze - eingepackt wie im tiefsten Winter - kriechen wir insgesamt 1´100 Meter in die Höhe. Da wir nicht auf die Autobahn dürfen, teilen wir uns die Strasse mit all den Mautsparenden Lastwagen. Die sind sowieso sparsam. Sie sparen beim Licht, bei der Bremse, bei der Stossstange oder beim sicheren Laden. Nur bei der Hupe sind sie grosszügig. So fahren wir durch den Tunnel und kriegen eine Beinahetinitus geschenkt.

Am Mittag haben wir erst knappe 30 Kilometer geschafft. Beim Mittagessen gestehen wir uns ein, dass wir das Tagesziel Qazvin wohl nicht erreichen werden. Um 17:00 Uhr haben wir nach sechzig Kilometern den höchsten Punkt erreicht. Wir sind geschafft und halten nach einem Schlafplatz Ausschau, denn die Sonne geht hier bereits in einer Stunde schlafen. In der Ortschaft wo wir gerade sind, kommt dies jedoch eher nicht in Frage. Wir beobachten eine Zeremonie - es könnte eine Beerdigung sein oder aber es hat mit der aktuellen Situation in Mekka zu tun. Viele in schwarz gehüllte Frauen besteigen einen Hügel, dessen Aufstieg mit schwarzen und nationalen Fahnen bestückt ist. Wir beschliessen, dass wir besser weiterfahren. Just in dem Moment - direkt oben auf dem Hügel - hält wieder einmal ein Iraner neben uns an. Ein sehr sympathischer älterer Herr plaudert mit uns. Wenige Meter später hält er erneut neben uns an. Er steigt aus und schneidet mit einem grossen Messer eine Melone auf. Die Pédaleurs werden fürstlich bewirtet. Kaum ist die Melone verdrückt, folgt eine Zweite. Wir beginnen zu kämpfen. Vor dem Aufschnitt der dritten Melone können wir ihn nur mit Händen und Füssen abhalten. Sohrab lädt uns ein, bei ihm zu übernachten. Gleich um die Ecke - in Qazvin wohnt er. Wir geben ihm zu verstehen, dass wir innert einer Stunde die dreissig Kilometer kaum schaffen werden. Doch, doch meint er. Er schreibt eine Telefonnummer auf eine Visitenkarte und erklärt uns - mit Gesten, denn Englisch spricht er nicht - dass wir in Qazvin jemanden beten sollen, ihn anzurufen.

Der Mann ist sehr herzlich und wir würden das Angebot sehr gerne annehmen. Aber die Distanz um diese Zeit macht uns schon leichtes Kopfzerbrechen. Aber ach was - wir haben schon mehr geleistet auf den letzten beinahe 8‘000 Kilometern. Und so treten wir richtig kräftig in die Pedale und fahren die flache Strecke mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 30Km/H in die Stadt. Pünktlich zum Sonnenuntergang fahren wir durch die Tore von Qazvin. Bei einem Autoverkäufer halten wir an und geben die Visitenkarte ab. Der Mann spricht englisch. Nach einem kurzen Telefonat wird uns gesagt, wir sollen hier warten. Wir bekommen Tee und Süssigkeiten, dürfen die Toilette benutzen, machen Selfies, tauschen Koordinaten und warten auf Sohrab.

Nach einer knappen halben Stunde erscheint er. Er hat sich in Schale geworfen und freut sich sichtlich darüber, dass wir es geschafft haben. Ein weiterer Herr will uns schon abwerben - doch nein, nein. So schnell gibt Sohrab nicht auf. Und auch wir lehnen dankend ab. Wir folgen Sohrab in seinem Auto durch die inzwischen stockfinstere Stadt. Eine rasante Fahrt beginnt. Fünf Kilometer rasen wir zwischen anderen Autos hindurch, immer an Sohrabs Stossstange klebend.

In seiner Wohnung angekommen, gibt es erst mal Melone. Ohje. Wir können nicht mehr. Sohrab zeigt uns das Bad, das Schlafzimmer und die Dusche. Obwohl wir uns kaum verständigen können, verstehen wir uns prächtig. Sohrabs Frau ist momentan nicht in der Stadt. So kocht Mike das Abendessen, Cynthia räumt die Küche auf und Sohrab betet immer mal wieder auf seinem Teppich. Nach dem gemeinsamen Essen schauen wir uns noch Fotos von den Familien an. Ein sehr schöner Abend geht langsam zu Ende. Wir fühlen uns sehr wohl und es tut gut, dass von uns nicht allzu viel Unterhaltung verlangt wird. Kurz vor Elf geht es - nach einem langen Tag - ins Bett.

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