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Aller Anfang ist schwer. II


Lieber Leser - wow, du bist ja ein echter Fan, dass du bei unseren Blogeinträgen bis hier unten gescrollt bist :-) In unseren privaten Tagebüchern sind wir auf die Einträge gestossen, die wir über unsere erste Fahrradreise verfasst haben. Dies war im Jahr 2005 und wir waren knapp Volljährig. Unsere Ausrüstung:

  • Fahrrad Cynthia: Damenstadtvelo, Model Villiger

  • Fahrrad Mike: Militärfahrrad, ein Gang, Rücktritt

  • Gesamtgepäck: 60 Kilogramm - als Rucksack (!)

  • Strecke: Bodensee - Lausanne

Ok, Ok, wir geben zu, damals hatten wir noch keine Ahnung, wie man eine Fahrradtour plant... aber eben. Aller Anfang ist schwer :-) Hier unsere allererste Geschichte... PS: Die Einträge haben wir in Indien - auf unserer Pédaleursreise 10 Jahre später - nach 14´000 Kilometern gelesen. Und wir haben Tränen gelacht :-) Viel Spass!

10. August 2005

Voll erholt wie nach einer Woche Urlaub machten wir uns auf, kauften am Kiosk das Frühstück mit Ovo und Brötchen, packten zusammen und machten uns auf den Weg zurück nach Olten und dann nach Biel. Nach Olten hatten wir ein langes Trottoir bis Egerkingen, es war etwas heiss, auf einer Anzeige lasen wir 24°c, doch wir bissen uns durch. Der Hauptstrasse entlang zogen wir über Oensingen, Ober- und Niederbipp, Attiswil wo wir einen kleinen Umweg machen mussten weil kein Trottoir vorhanden war und wieder mal ein klein wenig bergauf ging, nach Riedholz, wo wir Pausierten, nach St. Niklaus bis schliesslich Solothurn. Kleiner Sieg für uns nach ca. vier Stunden Pedalen treten. Wir suchten uns ein Restaurant, es gab Poulet und Pizza. Wir machten fast eine Stunde Pause. In dem Bistro zogen wir die Blicke der Passanten auf uns.

Nun, nach Essen und Erholen hatten wir den vollen Ehrgeiz nach Biel zu kommen. Letzte Blicke auf Solothurn und wir folgten wieder dem Radweg nach Biel, er führte uns dem Ufer der Aare entlang. Wir machten oft kleine Pausen, nur um kurz die Aare zu geniessen, die so ruhig und klar vor sich her fliesst. Zwischen Altreu und Büren a.A. machte die Aare oft grosse Schlaufen, der Radweg kürzte das jedoch ab, so mussten wir in der Nachmittagshitze über lange Strecken zwischen Feldern fahren ohne kühlende Schatten von Bäumen. Das waren die anstrengendste Abschnitte dieser Route. Zwischen Solothurn und Biel dafür war es flach. Das Städtchen Büren a.A. schien sehr schön, wir hatten jedoch nicht wirklich Lust es gross anzuschauen, es gab nur noch Biel. Ab Büren könnten wir dem Aarekanal folgen. Irgendwo in der Mitte des Kanals gab es eine kleine Beiz, kurz entschlossen gingen wir eine kalte Cola trinken.

Mike bezahlte, Cynthia ging noch für kleine Mädchen. Er wurde von einem älteren Ehepaar gefragt wohin es geht. Er antwortete: heute noch nach Biel. Dann sagten sie, es sei nicht mehr weit und fragten, woher wir kamen. Aus Stein am Rhein antwortete Mike. Beide waren verblüfft, da stiess Cynthia hinzu. Sie erzählten uns wie es im groben weitergeht, sehr gut, meist flach tendenziell mit Senkung nach Lausanne. Also keine Hügel mehr. Sie wünschten uns Glück und sagten uns: „schön, dass es auch noch normale junge Leute gibt.“ Wieder ein Kompliment. Bis jetzt stiessen wir mit unserem Vorhaben nur auf positive Reaktionen. Laut Wegweiser waren es noch 9Km nach Biel. Es ging ring, wir hatten noch Kraft in den Beinen. Am Anfang von Biel rief Mike kurz zu Hause an, er hatte lange keinen Empfang. In Sutz, ausserhalb von Biel fanden wir einen Camping. Dort bauten wir unser Nachtlager auf, duschten gingen etwas Essen und bald schon ins Bett. Heute hatten wir 74Km zurückgelegt.

11. August 2005

Nach dem Frühstück war wieder einmal Packen angesagt. Trotz Anfangsmüdigkeit fand Mike schnell den Rhythmus, bei Cynthia wollte es nicht recht. Der Radweg führe uns am Anfang dem Bielersee entlang, dann ging es bergauf, bergab, auf und ab. Der Weg führte uns dann wieder zum See, vorbei an einem Kraftwerk und zahlreichen Bauernhäusern. Gegen Ende vom Bielersee zu machte der Veloweg den Bogen durch ein Dorf, dann der Hauptstrasse entlang. Auf dem Fahrradstreifen fuhr vor uns eine Frau, deren Rad immer auf ganzer Drehung quitschte. Auf einmal raste Cynthia davon, Mike hinterher und wir rasten an der quitschenden Nervensäge vorbei. Damit sie uns nicht einholte radelten wir wie wild. Es war wirklich nervend. Vor Erlach hielten wir kurz und nur Sekunden später war sie wieder da mit dem scheiss Quiik, Quiik, Quiik. Wir folgten dem Radweg, merkten aber dass wir auf ihm einen riesen Umweg machen würden, da drehten wir um und improvisierten. Hinauf nach Vilenz, dann nach Ins. Weiter nach Neuchâtel.

Vor Neuchâtel änderten wir die Richtung. Ein Fehler. Aus Gampelen raus wollten wir nach Cudrefin. Uns kreuzte ein alter Radweg Nr. 5, doch er machte wieder eine Schlaufe, diesmal nach Murten, wir gingen unseren eigenen Weg. Bis Cudrefin war es ein für uns weiter Weg. Das Wasser ging allmählich aus, irgendwo vor dem Neuenburgersee gab es dann einen Wegweiser nach Witzwil. Nichts ahnend fuhren wir darauf zu, bis auf einmal ein Schild uns warnte. Das fahren zur Anstalt sei ohne Bewilligung verboten. Stillschweigend machten wir einen Bogen und kehrten zur Hauptstrasse zurück. Ok, weiter nach Cudrefin. Es war wohl ein Gefängnis, denn auf der rechten Seite war eine riesige Mauer und alle Strassen waren Fahrverbot und hatten Warnschilder.

Wieder auf der Strasse schien dies kein Ende zu nehmen, hinter uns sah man Strasse und vor uns sah man Strasse soweit das Auge reicht. Wir versuchten wenn immer möglich auf parallel verlaufenden Traktorsträsschen zu fahren. Nach einer Weile erreichten wir die Brücke die den Kanton Waadt ankündigte. Danach ging es nicht mehr lange bis Cudrefin. Bei der ersten Möglichkeit machten wir halt, wir assen Mittag. Fünf 3dl Colas, je einmal das Menü, Salat mit Melone und Pouletcordonbleu mit Pommes frites und Gemüse. Nach einer langen wohltuenden Pause fuhren wir durch das Dorfzentrum. Dort machte der Radweg einen Knick. Es ging wieder einmal, wen wundert es, bergauf.

Weg vom See ging es ein rechtes Stück hinauf und es wollte kein Ende nehmen. Bis wir nach einer Weile einen schönen Ausblick über den Neuenburgersee hatten. Es war heiss, wir kühlten uns an jedem Brunnen ab. Wir fuhren vom See weg. Die einzige Kühlung, die es gab waren die Fahrten durch die kurzen Waldstücke. Es war anstrengend. Nach einer langen Fahrt führte uns der Weg mit 15% Gefälle zurück zum See. Wir fuhren etwa 100 Meter vom See entfernt parallel zwei oder drei Kilometer. Dann erschien ein Camping, der hatte einen eigenen Denner. Wir kauften Wasser und ein Eis und fragten welcher Camping dies sei. Einige Typen sagten uns es sei ein Privatcamping der nicht eingezeichnet war. Wir sassen auf einer Bank, da kam eine Oma und motzte herum weil unsere Räder quer standen: sonst stehen auf dem Radweg mehr Fahrräder. Da wussten wir, dass wir unerwünscht waren. Mike schlug vor, weiter zu fahren bis wir in einem Waldstück eine kleine Pause machten. Wir fuhren weiter bis Estavayer-le-Lac, wieder ein schönes Städtchen. Durch das Städtchen fuhren wir zügig, denn wir wollten etwas trinken gehen. Nach einer weiteren Abfahrt kamen wir in einem Jachtclub an, eigentlich mehr ein Restaurant oder eine Strandbar. Der Weg ging weiter durch den Wald, ein schönes Stück Wald mit einem kleinen schönen Wasserfall, vielen ruhigen Bänken und grossartigen Ausblicken auf den See. Die einzigen Menschen waren wenige Jogger und Radler. Wir fuhren dann aus dem Wald, bis Yverdon-les-Bains konnten wir am Strassenrand auf einem Weg fahren, auf diesem gab es viele Wurzeln, die durch den Teer drückten. Das war so mühselig weil unsere Hintern schon recht schmerzten und wund waren.

Das ging etwa zehn bis fünfzehn Kilometer. In Yverdon angekommen suchten wir den erst besten Zeltplatz. Das war nicht die beste Idee. Der Zeltplatz war ungeordnet, die Wohnwagen standen kreuz und quer durcheinander, die Duschen konnte man zwar einstellen, wenn jedoch jemand abspülte oder den Wasserhahn anmachte wurde es feuerheiss oder eiskalt. Die Nacht war der Horror, die Eulen heulten die ganze Nacht, an der Toilette sammelten sich Jugendliche und redeten im Suff, um drei Uhr nachts. Und dann – unser Nachbar. Der liebe Nachbar ohne Körperkultur. Der Typ schnarchte wie eine rostige Motorsäge, hustete, er könnte ein, zweimal sich aushusten. Aber nein, er hustete eine halbe Lunge in einem flüssigen, halb kotzenden gurgelnden Geräusch aus. Und das die ganze Nacht lang. Dazu liess er seinen Körpergeräuschen freien Lauf. Der Typ war einfach nur eklig. Sein Zelt war zerlöchert, von Vögeln verschissen und die Stangen verbogen. So als würde jeder, der einmal eine Nacht neben ihm schlafen musste, zum Abschied noch einmal richtig reintreten. Nun, Horrornacht in Yverdon.

12. August 2005

Am Morgen assen wir nicht im Camping sondern fuhren in Yverdon umher und suchten ein Restaurant oder eine Bäckerei. In einem Restaurant kriegten wir zwei Ovo‘s aber nichts zu essen. Im Yverdoner Altstädtchen fanden wir eine Bäckerei, machten ein Foto und assen dann je ein Croissant und ein Zuckerbrötchen. Bis wir aus der Stadt raus waren, schoben wir unsere Fahrräder weil der Verkehr durch die engen Altstadtstrassen führt und wenn ein Laster kommt, bleibt kaum mehr Platz. Unter einer Autobahn fanden wir eine BMX-Piste, dort assen wir noch etwas kleines und packten den letzten Weg nach Lausanne. Wir fuhren lange Strassen oder Feldwege bis wir wieder in irgendwelchen Dörfern waren. Jetzt könnten wir auf der Karte nachlesen wie die Dörfer heissen, aber während der Tour am letzten Tag, wollten wir nur noch nach Lausanne, das war der einzige Gedanke den wir noch hatten. In Bavois kauften wir Schokolade und eine Cola, anschliessend gab es noch eine kleine Panne, das am letzten Tag. Mikes Kettenschutzblech hat sich verkrümmt. Beim Pedalen hat es sich hinauf gedrückt und das Weitertreten verhindert. Wir montierten es ab. Er versuchte es mit einem Stein zu glätten. Das ging nicht gut. Nach einem Anprobefahren riss er es ab und schmiss es weg. Wir fuhren weiter, denn wir hatten heute noch viel vor.

Nach Bavois machten wir einen Bogen. Der Radweg führte uns nach Orny und dann hinauf nach Sarraz. Anfangs Sarraz sieht man das Château de la Sarraz. Wir hatten keine Mühe uns zu orientieren, schliesslich folgten wir dem Radweg, der allerdings so gegen Schluss immer mühsamer wurde. Es ging hinauf und hinab. Unterwegs fragten wir einen Radfahrer der Deutsch sprach. Er war begeistert, als wir von unserem bisherigen Weg erzählten. Er habe selber so etwas noch nie gemacht und er war etwas belustigt von meinem Fahrrad mit nur einem Gang. Wieder an einem höchsten Punkt angelangt, ging es dann wieder hinab nach Cossonay. Nach einer sehr rasanten Abfahrt musste Mike anfangen, die Rücktrittbremse zu nutzen. Vor Hitze ist der Klotz vorne weich geworden. Unten angekommen sahen wir dass es gleich wieder hinauf ging. Doch der Radweg umfuhr die Steigung. Beim ersten Schatten machten wir eine Pause auf einer Bank. Wir sassen da und auf einmal raste ein Kipper vorbei. Der Laster hätte uns voll erwischt, wenn wir vorher weitergefahren währen. Die Strasse war so eng und er hatte mindestens 80 Kilometer die Stunde drauf. Nach einigen Minuten kamen ein zweiter und ein dritter. Der Radweg führte durch so etwas wie eine Kiesgrube. Als wir weiterwollen, warten wir bis sie zurückkamen und fuhren los. In dem Moment kam einer entgegen und ein weiterer von hinten. Wir fuhren mit Velo und Pack ins Feld hinein. Es wurde knapp, doch die LKW konnten kreuzen.

In Cossonay angekommen, ahnten wir bereits, was kommen würde. Ein Anstieg nach Gollion. Dies bestätigte ein paar Minuten später. In der glühenden Hitze mussten wir ungefähr zwei Kilometer nach Gollion hinauf. Etwa 100 bis 150 Höhenmeter, von dem der erste Kilometer extrem steil war. Nach den letzttägigen Strapazen, der Hitze und unseren fast 60 Kilogramm Gepäck war es grausam. Alle 20 Meter hielten wir an und tranken die Flaschen leer. Für die Strecke hatten wir, glaube ich, eine Stunde oder so. Nein. Es waren 15 Minuten aber es kam uns vor wie eine Ewigkeit. In Gollion kauften wir ein Eis. Die Waldstrasse fehlte dann auf einmal. Sie hörte nicht auf, aber es war ein Stück in den Bach abgerutscht. Mit Anlauf fuhren wir an der Bergseite den Hang leicht hinauf. Über lose Steine. Kein Problem. Entkräftet sahen wir durch die Bäume erste Gebäude. Lausanne? Nein Ecublens, ein Vorort von Lausanne.

Der Radweg ging dann sonst wo hin nach Lausanne. Wir wollten keine Rundfahrten mehr. Also gingen wir den direkten Weg. Die Hauptstrasse. Vor Ecublens Zentrum gab es einen hohen, hohen Hügel. Nein, wir freuten uns. Wir fahren ja so voller Kraft. Hinunter zu einem Kreisel mit anschliessendem Rotlicht. Wir mussten anhalten und standen im Kreisel. Cynthia wurde fast angefahren als es Grün wurde. Wir beschlossen dann, den Bahnhof aufzusuchen. Wir waren müde und hatten Hunger. Das einzige, was wir heute gegessen hatten, waren das Croissant und das Zuckerbrötchen in Yverdon. Wir mussten uns wirklich zum Bahnhof kämpfen. Wir waren total kaputt. Der Rucksack wurde mit jedem Schritt schwerer. Zudem liegt Lausannes Bahnhof ziemlich am Berg, wenn man von Eclens her kommt. Als wir endlich am Lausanner Strassenschild ankamen, waren wir erleichtert und machten Fotos von uns.

Bis zum Bahnhof war es nochmals ein rechtes Stück. Steile Strassen, die nicht enden wollten. Endlich, nach fünfeinhalb Tagen – der Bahnhof von Lausanne. Freude! Grosse Freude und Erleichterung. Nachdem Cynthia im McDonald zu essen holte fuhren wir nach Hause. Wir haben die Schweiz durchquert. Wir waren oft müde, verschwitzt, hungrig, durstig, ausgelaugt und wollten nicht mehr. Doch wir haben es geschafft.

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