Km 12889 - Km 12933_New Delhi - Gurgaon
New Delhi ist - passend zum Land - ein Ort der Gegensätze. Wie im vorangehenden Eintrag bereits beschrieben, prallen hier im Hundertmetertackt Welten aufeinander. Arm und Reich, Modern und Traditionell leben dicht bei - oder hier eher zutreffend - aufeinander. Frauen in Stöckelschuhen und engen Jeans teilen sich das Tucktuck mit vollverschleierten Ladies in knallbunten Stoffen. Die Fahrradricksha schneidet der Limousine den Weg ab und es hat Shopping Malls, vollgestopft mit Schweizer Uhren, Starbucks und Louis Vuitton. Direkt daneben betteln verschmutzte Kinder vor ihren Wellblechhütten - nein, es ist nicht einmal Wellblech, es sind vielmehr Resten von Werbeplakaten - die sie mit einer Vielzahl von Familienmitgliedern teilen. Natürlich haben wir es nicht geschafft, die ganze Stadt zu besichtigen. Doch während unserem Aufenthalt haben wir einige Ecken der Bienlinäschtähnlichen Stadt erkundet. Beispielsweise das Botschaftsviertel, welches vor lauter Prunk nur so strahlt und blitzt. Irgendwie sind diese Viertel immer wieder spannend. Der Stacheldraht der Chinesen reicht etwa zehn Meter in die Höhe, die Amerikaner haben einen eigenen Swimmingpool und die Sambianer pappten sich gleich den ganzen Eingangsbereich mit heimischen Pflanzen zu. Auch die Erkundung des Red Fort mit seinem Museum haben wir uns nicht entgehen lassen. Feine Nationale und Internationale Küche genossen und sogar noch einen Möwenpick Glacestand entdeckt. Jupiduu. Insgesamt gefällt uns New Delhi ausgesprochen gut. An unserem letzten Nachmittag in der Hauptsstadt sind wir ziemlich geschafft. So ein Stadtbummel mit seinen Eindrücken macht ja auch müde. Und so planen wir, nach einem späten Mittagessen, wieder ins Hostel zurückzukehren. Denkste. Prompt nach dem feinen Zmittag verliert Cynthia ihre Zahnblombe, die sie doch gerade erst in Dubai bekommen hat. Der Nerv liegt frei, um einen Zahnarzt kommt sie nicht herum. In Indien. Horrorvorstellung. Aber wir haben ja trotz allem Glück und befinden uns in einer Weltstadt. Da lässt sich sicher ein Zahnarzt finden, der seine Dienstleistung nicht auf der Strasse anbietet. Wir machen uns auf die Suche. Das Touristenbüro verweist uns in einen Hinterhof. Die Treppe ist eng, dunkel und die Wände verschimmelt. Wir sind nicht besonders enttäuscht, dass die Praxis heute geschlossen ist. Es stellte sich heraus, dass es gar nicht so einfach ist, so spontan einen Zahnarzt zu finden. Denn die einzigen, die sich auskennen, sind die Einheimischen und die verweisen uns immer wieder in Hinterhöfe. Denn hier sei der Dentist cheap, cheap. Nichts gegen die Indische Zahnarztpraxisgegebenheiten, aber irgendwie sind wir in dem Fall doch es bitzi Bünzli. Also haben wir die Idee, mal im Radisson Blu nachzufragen, ob sie uns einen Zahnarzt empfehlen könnten. Wir stehen also vor der Rezeption im zweiten Stock und erklären unsere Situation. Die Rezeptionistin kommt hinter dem Tresen hervor, läuft mit uns in der Lobby vier Meter weiter und verweist auf den Eingang einer Dentalklinik. Ha. So en Zuefall. Ist ja super! Die Zahnärztin kriegen wir schnell ans Telefon und schon ist ein Termin für morgen früh ausgemacht. Perfekt. Wieder im Zimmer zurück, stellen wir fest, dass der Bildschirm unseres Laptops gebrochen ist. Oh no. Nicht schon wieder. Tja. Computer läuft soweit noch und wir lassen uns nun überraschen, wie lange er noch durchhält. Der letzte hat ja mit halbem Bildschirm fast ein halbes Jahr durchgeseucht, bis er aufgegeben hat. Aber - zugegeben - es bitzi frustrierend wars schon. Fazit: Dinge, die man in Dubai ersteht - ob Zähne oder Computer - halten bei den Pédaleurs genau 128 Tage.
Unseren Aufenthalt im Hostel können wir nicht verlängern und so fahren wir mit gepackten Rädern beim Zahni vor. Der Praxisbesuch verläuft relativ unspektakulär. Nach einer ersten Prüfung wird der Preis verhandelt, eine Spritze gesetzt und danach der Zahn angebohrt. Anschliessend gabs die neue Füllung und eine Bezahlung in Cash. Nach weniger als fünfzehn Minuten ist der Spuk vorbei. Der Nerv ist endlich wieder verschlossen, und irgendwie machts ja auch nichts, dass die Füllung scheisse aussieht. Schliesslich hat sie eine Story. So beginnt unser erster richtiger Fahrtag nach wochenlanger Pause erst um halb elf. Wir verlassen New Delhi. Den Verkehr in der Hauptstadt empfinden wir als sehr angenehm. Das albtraumhafte Verkehrsaufkommen - von dem wir in Radforen gelesen haben - nehmen wir nicht wahr. Im Gegenteil. Es geht ziemlich gesittet zu und her, wird wenig gehupt und durch die gute Ausschilderung gelingt es uns nach wenigen Stunden, die Tore der Stadt hinter uns zu lassen. Gut gelaunt strampeln wir in die Pedale. Juhuu - Pédaleurs sind wieder on the road. Einfach super. Wir sind richtig happy. Wir fahren entlang der Autobahn - gleich daneben auf der Service Line. Diese ist relativ wenig befahren und so können wir sogar - das erste Mal seit tausenden von Kilometern - wieder längerfristig nebeneinander fahren. Nach knapp fünfzig Kilometern checken wir in einem Hotel in Gurgaon ein. Eine nationale Hotelkette wohlbemerkt. Der Aufenthalt verläuft wenig angenehm. Zuerst das Check-In. Die Mitarbeiter an sich sind eigentlich sehr freundlich. Aber der Chef, der seinen Posten irgendwo im Lotto gewonnen hat, ist eine unglaubliche Pfeife. Nachdem uns das Staff freundlich begrüsst hat, kommt er daher geschlendert. "Do you have Laptop" ist die erste eisbrechende Frage. "I need your Laptop for Check-In". Scheint komisch, ist aber hier in dem Land nicht weiter verwunderlich. Denn, das Hoteleigene Computersystem hat den Geist aufgegeben, und wir als Ausländer müssen uns jeweils in einem unglaublich langen Prozedere jeden Tag aufs Neue bei der Polizei registrieren. Das kann man online machen und wird normalerweise vom Hotelpersonal übernommen. Heute nicht. Wir rücken also unseren Laptop raus. Zuerst das Login ins W-Lan. Geht nicht. Zweiter Versuch. Geht nicht. Fail. Also geben wir auf und versuchen zu bezahlen. Das Geld wollen die Angestellten noch nicht uns so quartieren wir uns ins Zimmer ein. Wie immer - wollen wir zuerst Duschen. Im Adamskostüm befinden wir uns auf dem Weg ins Badezimmer, als es an der Türe klopft. Cynthia schliesst sich kurzerhand nackig im Bad ein und bleibt da erstmal die nächste knappe Stunde. Mike öffnet die Tür und wird von Mr. Hotelchef nochmal um den Laptop gebeten- oder eher zur Rausrückung aufgefordert. Die Sache mit dem C-Form ist scheinbar noch nicht erledigt. Ein neues W-Lan soll Abhilfe schaffen. Nach dem vierten Fehlversuch, dieses einzugeben und einigen Verzweiflungstelefonaten von Hotelchef zu Hotelchefchef übernimmt Mike das Kommando. Das Passwort soll mal hergegeben werden. Nach einem Hin und Her gibt Hotelchef nur wiederwillig das Passwort bekannt. Er hat sich gesträubt, weil er nicht wollte, dass die Gäste sein ach so kreatives Passwort - Juventus123 übrigens - wissen. Nachdem Mike an die Tastatur durfte, klappt das Login dann endlich. Nun zum C-Form. Dutzende von Angaben müssen gemacht, und Passportbilder hochgeladen werden. Das System stürzt laufend ab. Irgendwann sind dann alle Angaben mehr oder weniger im Internetnirwana registriert. Nach nun fast einer Stunde dürfen wir endlich unter die Dusche. Frisch gewaschen lassen wir uns von einem Tucktuck in die Mall fahren. Wir kaufen Kellogs und Milch und freuen uns auf einen gemütlichen Abend. Doch die Rückfahrt zurück in die Unterkunft gestaltet sich äusserst schwierig. Die Stadt Gurgao ist in einzelne Sektoren eingeteilt. Man lässt sich also in Sektor 2, 4 oder 35 fahren und ist dann seinem Ziel relativ nahe. Die Mall ist in Sektor 28, wir müssen zurück zu Sektor 35. Leider kennt unser Tucktuckfahrer die Zahlen weder in Englisch, noch mit Fingerzeichen oder auf einen Zettel geschrieben. Und so fragt er uns bei jeder der sieben Ausfahrten, ob er nun endlich ausscheren darf. Mike erklärt daraufhin dem Einheimischen mit viel Geduld seine Stadt und wir finden nach einer aufregenden Fahrt wieder zurück in unser Hotel. Nach den feinen Kellogs werden wir müde und schlafen ziemlich früh ein. Spät abends klingelt das Telefon. Wir sollen die Zimmerrechnung bezahlen. Wenige Sekunden später hämmert es an der Tür. Mike geht und öffnet. Uns wird mitgeteilt, dass das Restaurant in wenigen Minuten schliesst. Ok. Kümmert uns zwar wenig, ist aber sicher nett gemeint. Nun sind wir wach. Cynthia geht an die Rezeption und will - weil ja oeben telefonisch dazu aufgefordert - bezahlen. Daraufhin meint der Mr. Hotelchef, dass sie das auch morgen machen könnte. Sie ist richtig genervt. Nicht nur, dass ihr Geld beim Einchecken abgelehnt wurde und sie nun genau deswegen aus dem Schlaf gerissen wird - nein, der Scherzkeks, der uns gerade wegen diesem Geld geweckt hat, will nun doch noch keine Bezahlung. Das erste Mal seit - ja seit wann überhaupt? - reisst ihr Geduldsfaden und Mr. Hotelchef muss sich erstmal was anhören. Nach einem hin und her kann sie dann die Zeche bezahlen und wieder ins Bett kriechen. Schlaf ist erstmal nicht zu finden. Jänu. Um sechs Uhr früh verlassen wir Gurgaon. Es ist noch dunkel, aber nicht mehr lange. Die Fahrt ist super. Die Landschaft hier gefällt uns sehr gut. Es ist eine Mischung aus Azerbaijan, Iran und Oman. Wüstenähnlich. Mit Dromedaren, Eseln, Ziegen und Schafen auf der Serviceline. Die Menschen winken uns zu und wir geniessen die Fahrt durch die wieder kargere, aber sehr freundliche Region. Die Menschen hier sind anders als im Süden des Landes. Kein Wunder - Indien ist ja riesig. Wir wurden bestimmt ein Dutzend mal gewarnt, dass die Nordinder sehr unfreundlich seien. Doch wir nehmen das Gegenteil wahr. Die Menschen strahlen, sie haben Lachfalten. Die Kinder winken, die Motorradjungs stellen Fragen und die Frauen am Strassenrand gigelen uns auch an. Die Frauen hier tragen übrigens ganz andere Kleidung als wir das im Süden gesehen haben. Die Tücher sind noch viel farbiger, glitzriger und leuchtender. Saris haben wir nur wenige gesehen. Vielmehr sind die Damen am ganzen Körper mit Stoffen umhüllt. Sogar über dem Gesicht. Dies aber vielmehr zum Schatten spenden als zum verschleiern. Durch halbdurchsichtige Seide blinzeln sie uns zu und klimpern bei jeder Bewegung mit ihrem Silberschmuck. Die Männer tragen hier auch weniger Röcke. In den letzten Tagen sahen wir ausschliesslich Hosen. Das Rumgezupfe am weissen Miniröcklituch haben wir im Süden wirklich zu genüge beobachtet. Insgesamt machen die Bewohner entlang unserer Strecke nach Jaipur einen armen, aber zufriedenen Eindruck auf uns. Aber der Strassenverkehr ist immer noch verrückt. Hier wird auch gerne mal im Rechtsverkehr gefahren. Mal so, mal so. Eben wie es gerade passt. Vorallem bei Unterführungen oder auf der Serviceline. Da gilt Rechtsverkehr. Warum? Who knows. Einmal geraten wir in einen langen Stau. Aber mit den Velos kann man sich ja gut durchschlängeln. Die Motorradfahrer hingegen beschliessen, einfach auf der Gegenrichtung Gas zu geben. Der Stau wurde übrigens daher ausgelöst, weil einige Männer unbedingt ihre Zementsäcke mitten auf der Autobahn umladen mussten.