Km 28002 - Km 28170_La Barca - Quiroga
In La Barca finden wir ein ausgesprochen hübsches Hotel, worin wir uns nach dem Tag zum abhöögle zurückziehen. Das Städtchen selber macht auf uns einen sympathischen Eindruck. In den Gassen wuselt es von geschäftstüchtigen Verkäufern, fröhlichen Familien und natürlich vielen, vielen Autos. Dass die Stadt eine nicht so schnuselige andere Seite hat, lesen wir zufälligerweise im Internet.
Der Ort ist eine Grenzstadt zwischen zwei Regionen und es finden immer mal wieder Bandenkriege statt. Viele, viele Todesopfer hat der Ort schon gesehen und Touristen wird klipp und klar von einer Durchreise abgeraten. Zitat: When it comes to La Barca and Ocotlan in Jalisco, the government “prohibits all Americans from stopping in those two towns no matter the motive.” Hopplalätz - das haben wir jetzt etwas zu spät recherchiert. Zumal wir dort wo wir gestern waren scheinbar auch nicht hätten sein sollen. Jänu. Sind ja au kei Amis.
Pünktlich zur Dämmerung hüngerlet es bei uns in der Magengegend und wir machen uns auf - auf die Suche nach einer Mahlzeit. Eigentlich sind wir ja nicht so die aufgeschreckten Hühner - aber während unserer Reise gehen wir grundsätzlich im Dunkeln nicht raus, wenn es keine anderen Touristen hat und es sich nicht um eine Grossstadt handelt. Doch nun haben wir Hunger - und bei Tageslicht wars ja wie gesagt ganz herzig. Nun aber ists eher greepy. Denn die meisten Läden haben bereits geschlossen, die Strassen sind wie leergefegt und Frauen und Kinder sind weit und breit nicht in Sicht. Und das um halb sechs! Oha. Kein gutes Zeichen. Wenn sich die Einheimischen verkrümeln, dann sollte sich ein Pédaleur erst recht verpieseln.
Also schnappen wir uns bei der ersten Gelegenheit zwei Taccos zum Mitnehmen, holen uns noch ein Getränk im Lädeli und mampfen unser Znacht im sicheren Zimmer. Das Hotel hat übrigens wohl auch schon so einiges erlebt. Nehmen wir mal an. Denn hier ist alles festgeschraubt. Nicht nur die üblichen Verdächtigen wie Fernseher, Klimaanlage oder Lampenschirm - nein, sogar das Schampoo, die Seife und die Vase sind angeleimt und verwehren so jedem Dieblein die kleinste Freude.
Die Nacht verläuft gut, die Pneus sind geflickt, die Pédaleurs ausgeschlafen und die Räder wieder beladen. Weiter gehts. Die Strecke führt uns im Verlauf des ersten Kilometers über Piste - eine plattgewalzte, braune, staubige, schlaglöchrige Angelegenheit. Nach dem das geschafft und das Städtchen verlassen ist, können wir wieder auf unserer libre - die mittlerweile viel Velofreundlicher geworden ist - einfädeln.
Auch heute ist wieder einmal viel zu sehen. Ob Pferde auf Pickups, Hühner am Strassenrand, grasende Esel oder Polizeikaravanen. Jaja, die Polizei in Mexico - die haben wir ja noch gar nie erwähnt. Also die Polizei ist omnipräsent. Immer wieder begegnet sie uns. Meistens sind es eine Handvoll Pickups, jeweils mit zwei Polizisten in der Führerkabine und dreien, welche bewaffnet mit schweren Maschinengewehre breitbeinig auf der Ladefläche stehen. Auch an Tankstellen hat immer mal einer eine Flinte in der Hand und in den Läden entdeckt man auch regelmässig Pistolen, welche vorwitzig unter den Hemden hervorlugen.
Trotzdem wirkt die Stimmung friedlich - die Menschen sind ausgesprochen freundlich zu uns und wir fühlen uns grundsätzlich sehr wohl. Irgendwie gewöhnt man sich dran - sehen wir doch seit vielen tausend Kilometern beinahe täglich eine Waffe.
Doch wenn man sich mal vorstellt, dass man beim Migrolino kurz was einkaufen will und man zuerst an einem schwerbewaffneten Kampfanzugtypen vorbeischleichen muss, dann ist das schon irgendwie schräg.
Obwohl sich heute einige Kilometer zusammenläppern, kommen wir ganz gut vorwärts und erreichen Zamora bereits kurz vor dem Mittag. Hier werden wir zuerst einmal von einem riesigen Hund attackiert. So ein richtig riesengrosser. Die Rasse, der man ein gutes Gemüt nachsagt - ja vo wäge. Wie ein bekloppter stürzt er auf uns los, steht auf die Hinterbeine und überragt uns beinahe. Zum Glück gehorcht er dem Pfiff seines Herrchens und die ganze Sache geht überaus glimpflich aus. Nume unsere Härzli - die pümperlen wie wild.
Zamora scheint sowieso ein spezielles Händchen für Hunde zu haben. Überall hat es Zwinger. In Hauseingängen, auf Hausdächern und sogar am Strassenrand. Die Zwinger sind klein. Also eigendlich sind sie gross - aber die Hunde sind noch grösser. Und so hocken die armen Tiere einzeln hinter Gittern und bewachen, was sie zu bewachen haben. Ob es eine Öffnung für die Zwinger gibt - ansonsten ist ja das Bewachmanöver relativ wenig nützlich - sehen wir nicht. Aber es ist äusserst auffällig, dass die Zamoraner ihr Hab und Gut von unliebsamen Besucher beschützen. Nicht nur mit Hunden - auch mit Stacheldraht, Glasscherben und all dem anderen Klimbim.
Wir peilen zuerst die Altstadt an, biegen dann aber doch kurz vor der Kathedrale ab und versuchen unser Mittagessensfindeglück entlang der Hauptstrasse. Kein Glück. Gspässig. Gibt es doch sonst überall Tortas, Enchiladas, Tacos oder sonst was - hier finden wir nichts. Jänu - vielleicht falsch geguckt. Aber Oxxo ist ja für alle da und so holen wir uns ein paar Knabbereien aus dem Lädeli.
Etwas unvorbereitet - aber das ist ja immer so, sonst würde es nicht auffallen - begeben wir uns nach der Stadtausfahrt in die Wildnis. Grün, Wald, Landstrasse, keine Läden, keine Dörfer. Am Nachmittag dann erreichen wir doch noch einen Ort. Chilchota. Wir haben gehört, dass es hier ein Hotel geben soll und fragen die Einheimischen nach der Wegbeschreibung. Während wir so durch den Ort radeln, werden wir das Gefühl nicht los, dass der letzte Tourist hier vor vielen, vielen Jahren durchgekommen ist. Wir werden angeguckt, es wird sich umgedreht, die Alten nicken, die Jungen kichern. Wenn Teenager kichern, kannst du übrigens davon ausgehen, dass du seit langer Zeit der erste Fremde bist. Pédaleurserfahrig halt.
Das Hotel - also eher eine prächtige Villa als ein Hotel - finden wir direkt unten an der Treppe. Unten an der Treppe? Du weisst nicht wo das ist? Ja eben - in Chilchota dänk. Hier hat es nämlich am Ortsende - der Ort ist in einen Hügel gebaut - eine riiiiiiesige Treppe. Richtig riesig. Etwa dreihundert Stufen. In den Nationalfarben gestrichen. Krass. Rocky Balboa müsste in der Mitte päuselen, so gross ist die.
Wir verzichten auf den Anstieg, denn die Beine sind schwer. Das Zimmer ist super, der Besitzer mega herzig und nach einem längeren Spaziergang zurück zum Ortskern finden wir sogar noch einen richtig guten Laden. Mit Milch, Philadelphia und Brot. So guet. Auch Schinken gibts. An der Fleischtheke. Cynthia bestellt auf Spanisch - die einkaufenden Mütter helfen wo sie können, schimpfen mit den kichernden Teenagern und die Verkäuferin versteht trotzdem. Sieben Scheiben Kochschinken? Check. Ah und nur so by the way: 'Jamon por favor' reicht also für eine Schinkenbestellung im Dorflädeli bei weitem nicht aus. Im Fall.
Und scho wieder en neue Tag. Wir zmörgelen, hieven die Räder aus der Garage und fahren los. Einmal den Berg hoch. Nach diesem Krampf werden wir aber schnell belohnt - denn uns lacht eine tolle Abfahrt über einige Kilometer an. Anschliessend gibt es Mittagessen in Zacapu. Es ist ein Buffet und man kann sich ausgüxeln, was man gerne hätte. Perfekt.
Danach kaufen wir auf der gegenüberliegenden Strassenseite das Nötigste ein und machen uns an die Weiterfahrt. Cynthia ist nicht so im Strumpf. Der Anstieg vorhin war irgendwie es bitzli anstrengend, es ist heiss und sie fühlt sich nicht so fit. Ja und? Zu viele positive Nachrichten machen bekanntlich depressiv - daher schreiben wir dir hier wie es ist. Sie ist schlapp. Doch nur kurz - denn es wird besser.
Nur wenige Minuten nach unserer Weiterfahrt werden wir von einem Auto ausgebremst. Der Mann bringt uns zwei grosse Becher voller Ananas und Wassermelonen. Zum Energietanken. So lieb. Wir freuen uns und knabbern unter dem nächsten Baum an den Früchtchen.
Danach hat auch Cynthia wieder Power und wir strampeln tapfer den Berg hoch. Die vielbefahrene Strasse ist auf einmal wie leergefegt. Wir pedalieren durch einen tiefen Wald und begegnen kaum einer Menschenseele. Komisch. Besser ned froge. Ab und zu sehen wir dann aber doch noch ein paar Bauern. Sie arbeiten fleissig in den Feldern oder schneiden das Grass entlang der Strasse. Die Szenerie erinnert uns enorm an Nepal. Nicht nur die Menschen, die Höhe und die Aussicht - auch sonst ist es irgendwie gleich. Aber Nepal hat uns ja bekanntlich gefallen - und so gefällt es uns auch hier. Sowieso - Mexico isch mega lässig. Wir kommen bestimmt mal wieder.
Nach der lang andauernden Bergfahrt erreichen wir am späten Nachmittag dann doch noch den Peak und sehen in der Ferne die Laguna de Patzcuaro. Eigentlich wollten wir uns in Santa Fe einquartieren, aber das Hotel ist nicht auffindbar. So pedalieren wir noch einige Kilometer bis nach Quiroga. Es war ein langer, anstrengender und heisser Tag. Und wir sind ziemlich platt, als wir kurz vor dem Eindunkeln endlich einen Schlafplatz finden. Im Hotel Royal. Das heisst so. Und das einzig Royale ist der Name selbst. Nei glaubsch nöd. Das Gebäude ist zu achzig Prozent Rohbau. Ohne Fenster, Isolierung oder sonstwas. Die anderen zwanzig Prozent sind benutzbar. Hat zwar auch keine Fenster und keine Isolierung, aber auf dem Bett liegt eine Decke - ist somit gerüstet für Reisende.
Wir quartieren uns ein, organisieren ein Znacht und kriechen anschliessend schnellschnell unter die Decke. Es ist mittlerweile bitterkalt, denn die Sonne hat sich zur Ruhe gelegt und die Temperaturen fallen in den Keller. Zwei, teilweise sogar drei Wolldecken brauchen wir des Nachts. Schnell mal Barfuss ins Bad geht nicht - da frieren dir die Füsse ein. Und tagsüber ist es heiss. Richtig heiss. Hochplateau halt.
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